Die Kreisklinik in Groß-Gerau verklagt die Bundesregierung auf Schadenersatz in Höhe von 1,7 Millionen Euro.
In unserem aktuellen Experteninterview spricht Frau Prof. Dr. Raab mit uns nicht nur als Geschäftsführerin der Kreisklinik Groß-Gerau GmbH, sondern darüber hinaus auch als Gesundheitsökonomin. Dabei teilt sie uns ihre fachlichen Einschätzungen zur Zentralisierung und Finanzierung von Krankenhäusern sowie der Klage der Klinik gegen die Bundesrepublik Deutschland mit:
Frau Prof. Dr. Raab, was war für Sie der Anlass, Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland einzureichen?
Wir befinden uns aktuell in einer wirtschaftlich herausfordernden Zeit. Energiekrise und Inflation, aber auch die Auswirkungen der Pandemie setzen den Krankenhäusern in ganz Deutschland finanziell zu. Mein Eindruck ist, dass die Bundesregierung nicht entsprechend der angespannten Situation handelt und uns bei der ausreichenden Finanzierung Steine in den Weg legt. Es ist meine Aufgabe als Geschäftsführerin und Gesundheitsökonomin, dafür Sorge zu tragen, dass unsere Klinik wirtschaftlich stabil aufgestellt ist. Um dieses Ziel auch zukünftig zu gewährleisten, bestreiten wir nun den Rechtsweg, um für 2023 das bei uns entstandene Defizit ausgleichen zu können.
Warum klagt ausgerechnet die Kreisklinik Groß-Gerau?
Als regionales Krankenhaus sind wir für die Allgemeinversorgung der Bevölkerung hier im südlichen Rhein-Main-Gebiet verantwortlich. Insofern stehen wir stellvertretend für viele Kliniken in Deutschland, die zurzeit unter enormen finanziellen Druck stehen. Es geht uns bei der Klage nicht darum Gewinne einzustreichen, sondern lediglich um den Ausgleich der tatsächlich gestiegenen Betriebskosten.
Sicherlich auch für Sie persönlich eine anspruchsvolle Zeit – haben Sie Sorge, in der Politik mit der Klage anzuecken?
Wir haben hier durch die massive Unterfinanzierung der Kliniken ein systematisches Problem in der Gesundheitspolitik. Meine Erfahrungen aus dem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung haben gezeigt, wie fruchtbar eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Landkreis sein kann. Ich sehe mich in der Pflicht für die wirtschaftliche Belange unserer Klinik einzustehen und scheue mich dabei auch nicht davor, rechtsstaatliche Mittel zu nutzen.
Welche Rolle spielen Innovationen und neue Technologien Ihrer Meinung nach zukünftig in der Finanzierung von Kliniken?
Wir sehen gerade einen rasanten technologischen Wandel in der Entwicklung der Medizin, aber auch im Bereich des digitalen Krankenhausmanagements, der es uns ermöglichen wird Kliniken zukunftsfähig zu gestalten und eine hochwertige Versorgung unserer Patienten sicherzustellen.
Wie stehen Sie zu den diskutierten Plänen zukünftig verstärkt Großkrankenhäuser die Hauptversorgung übernehmen zu lassen?
Ich halte die Idee, dass kleinere Krankenhäuser zukünftig für die Versorgung von einfachen Knochenbrüchen oder Gehirnerschütterungen zuständig sein sollen, für einen Irrweg. Die Gesundheitsversorgung sollte dem Menschen dienen und nicht der Staatskasse. Wir machen in unserem Alltag immer wieder die Erfahrung, wie heilsam der Kontakt für Patientinnen und Patienten zur ihren Angehörigen ist. Sollte sich das Konzept einer stärken Zentralisierung der Krankenhäuser durchsetzen, bedeutet dies für die Patienten erheblich längere Anfahrtswege. Dies kann insbesondere für ältere Menschen durchaus zum Problem werden.
Was würden Sie sich zum Abschluss des Interviews von der Bundesregierung alternativ wünschen?
Ich wünsche mir, dass endlich der politische Wille gefasst wird, bei der Krankenhausreform Geschwindigkeit aufzunehmen. Die Zeit drängt und so erwarten wir auch für dieses Jahr weitere Kostensteigerungen, die ohne Lösung des Gesetzgebers den Druck auf die Branche weiter erhöhen werden. Insofern bin ich zuversichtlich, dass die Bedeutung der großartigen Arbeit der Kolleginnen und Kollegen erkannt wird und dies zu einem Umschwung in der Gesundheitspolitik führt.
Pressekontakt:
Consilium Rechtskommunikation GmbH
Marlen Fasold
+49 (30) 20 91 29 – 70
fasold@consilium.media