Interview mit Lisa Görke und Stephan Müller, pflegerische Leitung der ZNA
Interview mit Lisa Görke und Stephan Müller, pflegerische Leitung der ZNA
Interview mit Lisa Görke und Stephan Müller, pflegerische Leitung der ZNA
Lisa Görke ist die Pflegerische Leiterin der Zentralen Notaufnahme in der Kreisklinik Groß-Gerau, Stephan Müller ihr Stellvertreter. Im Interview erklären beide, warum die Arbeit in der Notaufnahme trotz vieler Herausforderungen so erfüllend ist, welche Rolle das Team dabei spielt und wie man emotionale Intelligenz zur Verarbeitung schwieriger Momente trainieren kann.
Was unterscheidet die Pflege in der Notaufnahme von anderen Einsatzgebieten?
Lisa Görke:
„Das Einsatzgebiet in der Notaufnahme ist sehr vielseitig. Der Unterschied zu anderen Stationen liegt an der Breite des Fachspektrums, dass wir täglich anwenden, denn: Jeder Tag ist anders und zu Beginn einer Schicht weiß man nie, was auf einen zukommt. Eine aufgeschnittene Hand, Verbrennungen, Schmerzen in der Brust oder im Bauch, das gebrochene Bein – alles kommt erstmal zu uns.
Wenn plötzlich ein Krankenwagen nach dem anderen einfährt oder sich der Zustand eines Patienten unvermittelt verändert, bedeutet das auch für uns Stress. Dann ist es wichtig, als Team zusammenzuarbeiten und flexibel auf die neue Situation zu reagieren. Diese Herausforderung macht die Arbeit für mich aus.“
Stephan Müller:
„Dem kann ich mich nur anschließen. Die Arbeit in der Notaufnahme wird niemals langweilig. Und man lernt nie aus: Wenn man glaubt, schon alles gesehen zu haben, wird man stets eines Besseren belehrt. Ich denke, was die Pflege bei uns in der Notaufnahme von anderen Stationen unterscheidet, ist, dass wir regelmäßig die Krankheitsbilder unserer Patienten noch nicht kennen, wir also einen wichtigen Teil der Diagnose leisten und gleichzeitig bereits betreuen müssen. Auch haben wir vergleichsweise nur kurzen Kontakt zu unseren Patienten, auf der Station begleiten die Kolleginnen und Kollegen einen Fall mehrere Tage.
Welche Eigenschaften muss man mitbringen, um in der Pflege der zentralen Notaufnahme zu arbeiten?
Lisa Görke:
„Eine wichtige Eigenschaft ist Flexibilität. In der Notaufnahme muss man oft innerhalb kurzer Zeit richtig reagieren und umschalten können. Und man muss auch teamfähig sein. Die Arbeit in der Notaufnahme funktioniert nur, wenn alle Hand in Hand arbeiten – Pflegefachkräfte, Ärzte und das administrative Aufnahmepersonal. Unser Team ist klein und hat flache Hierarchien, das ist unser Vorteil zu anderen, insbesondere großen Häusern.“
Stephan Müller:
„Und natürlich ist auch Empathie eine wichtige Eigenschaft: Die Patientinnen und Patienten, die in die Notaufnahme eingeliefert werden, haben oft Ängste und Sorgen, weil es ihnen nicht gut geht und sie sich unter Schmerzen in einer fremden Umgebung unter fremden Menschen befinden. Sie zu beruhigen und ihnen Sicherheit zu vermitteln, gehört genauso zu unserem Job, wie die rein medizinischen Tätigkeiten in der Pflege.“
In der Notaufnahme ist die Arbeit nicht nur unplanbar und kann damit stressig werden, sie bringt auch teils schwere Einzelschicksale mit sich. Wie gehen Sie damit um?
Stephan Müller:
„Es gibt natürlich Geschichten, die im Kopf bleiben. Es kann schwierig sein, Dinge in der Klinik zu lassen und nicht mit nach Hause zu nehmen. In solchen Fällen hilft dann das Austauschen im Team – es hilft sehr, mit Kollegen und Kolleginnen zu sprechen, die im gleichen Boot sind, die gleichen Erfahrungen machen. Solche Erfahrungen sind wichtig und ich bin überzeugt, dass sie uns zu besseren Pflegekräften machen. Dies geben wir auch an unsere Auszubildenden weiter, stetiges Lernen und Weiterentwickeln ist Teil des Jobs.“
Lisa Görke:
„Dazu kommt dann die individuelle Verarbeitung, jeder entwickelt mit der Zeit und wachsender Erfahrung einen eigenen Umgang mit emotional aufreibenden Situationen und schweren Schicksalen – einige treiben Sport, für andere hat Musik einen therapeutischen Effekt. Privat einen Ausgleich zu schaffen ist viel wert.“
Wenn sich jemand in der Ausbildung zur Pflegekraft oder als Berufseinsteiger für den Arbeitsbereich Notaufnahme interessiert, welche Tipps möchten Sie Nachwuchstalenten mit auf den Weg geben?
Lisa Görke:
„Der Pflegeberuf ist sehr vielseitig, ich rate Auszubildenden und jungen Pflegekräften dazu, möglichst viel auszuprobieren – nur so kann man für sich herausfinden, was einem gefällt. Ich habe Kolleginnen, die sich selbst nie im Bereich der Notfallpflege gesehen haben und dann beim Aushelfen mit dem Bereich in Berührung gekommen sind – sie waren überrascht, wie sie die Arbeit erfüllt hat.“
Stephan Müller:
„Wer das Einsatzgebiet der Notaufnahme für sich entdeckt, kann sich hier stetig weiterentwickeln durch Spezialisierungen und Fortbildungen. Lernbegeisterte sind hier also richtig. Gleichzeitig gilt für die Notaufnahme, wie auch für andere Bereiche in der Pflege, dass sie Arbeitsbelastung hoch ist, das kann einem besonders als Berufsanfänger die Freude nehmen. Mein Tipp: Erfolgserlebnisse bewusster wahrnehmen. Sich am Ende des Tages bewusst zu machen, das Beste für die Gesundheit und das Wohlergehen von Menschen getan zu haben, ist ein gutes Gefühl.“
Vielen Dank für das Interview!